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ChatGPT: Eine Gefahr für Texter*innen?

    Ein neuer Hype geht um: Werden alle Werbetexte in einigen Jahren von ChatGPT verfasst?

    Ja, die Headline hatten wir schon mal. Im November 2022 habe ich über KI-generierte Werbetexte geschrieben. Genauer gesagt, ich habe eine Anzeige des Tools CopyCockpit analysiert, die mir damals ständig auf Facebook angezeigt wurde. Mein Fazit war nicht positiv:

    „Abgesehen davon, dass der Text offensichtliche sprachliche Fehler enthält, […] ist es einfach offensichtlich, dass er von einer Maschine generiert wurde.  […] Natürlich kannst du jetzt einwenden, dass sich das mit ein bisschen Überarbeitung lösen lässt, man hat ja dann zumindest schon mal eine Basisversion. Aber: Das ist eben nicht das, was der Anbieter verspricht. Glaub mir: Einen miesen Text gut zu machen, nimmt nicht so viel weniger Zeit in Anspruch, als direkt einen guten Text selbst zu schreiben.“

    Hat sich meine Meinung geändert?

    Kurzes Tl;dr: ChatGPT kann vieles, aber als Werbetexterin ist es nicht brauchbar. 

    ChatGPT als Werbetexterin: Der Test

    Damals dachte ich, dass mein Statment zu CopyCockpit eine Aussage über KI-Texte an sich ist. Und damit lag ich falsch. Denn inzwischen gibt es ChatGPT. Dieses Tool von OpenAI funktioniert (wie der Name vermuten lässt) wie ein Chat: Ich gebe eine Frage ein und erhalte eine Antwort. Und die Antworten sind sprachlich deutlich besser, als alle KI-Texte, die ich bisher gelesen habe – zumindest auf Englisch, die deutsche Version ist noch etwas fehleranfällig.

    Seitdem ist unter den schreibenden Menschen in meiner Online-Bubble die Diskussion ausgebrochen, wie zukunftsfähig der eigene Job ist. Was liegt also näher, als ChatGPT mal zu fragen:

    Kann ChatGPT gute Werbetexte schreiben?

    Ja, ich kann gute Werbetexte schreiben. Als künstlicher [sic] Intelligenz-Modell wurde ich trainiert, menschenähnliche Texte zu generieren, darunter auch Werbetexte. Allerdings hängt die Qualität des endgültigen Textes von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise der Klarheit der Aufgabenstellung und dem vorhandenen Kontext. Wenn Sie mir genauere Informationen über das Produkt oder die Dienstleistung und die Zielgruppe geben, kann ich Ihnen einen ansprechenden Werbetext erstellen.

    Na ja. Als elevator pitch überzeugt mich das nicht: „Ansprechend“ als Kriterium für einen Werbetext ist mir zu nichtssagend und zu formell. Aber stellen wir doch mal eine konkrete Aufgabe:

    Schreibe einen guten Über-mich-Text für die Website einer Texterin. Sie ist in Köln geboren, lebt in Berlin und schreibt seit 10 Jahren Werbetexte.

    Hallo, ich bin eine erfahrene Texterin mit Wurzeln in Köln und einem Zuhause in Berlin. Seit 10 Jahren bin ich im Bereich Werbetexte tätig und habe in dieser Zeit eine Leidenschaft für die Kunst des Geschichtenerzählens entwickelt.

    Ich verstehe es, mit Worten zu bewegen und emotionale Verbindungen zu schaffen. Ob es darum geht, ein Produkt zu verkaufen oder eine Marke zu stärken, ich bin immer bestrebt, Texte zu schreiben, die nicht nur informativ sind, sondern auch unterhalten und inspirieren.

    Mit meiner Kombination aus Kreativität und Erfahrung bin ich bereit, Ihnen bei der Verwirklichung Ihrer Werbungsträume zu helfen. Lassen Sie uns gemeinsam Ihre Zielgruppe erreichen und begeistern.

    Ja, es gibt Websites, auf denen sich textende Menschen in ähnlicher Sprache beschreiben. Aber dass es die Website gibt, bedeutet nicht, dass diese Menschen auch gebucht werden. Meine Kritik bleibt die gleiche: Der Text ist sehr generisch und obwohl Wörter wie Werbeträume darin vorkommen, die wohl Emotionen wecken sollen, klappt das einfach nicht. Denn zumindest eine Sache hat sich seit meinem CopyCockpit-Verriß nicht geändert: Die Textergebnisse sind mechanisch, auch wenn sie formal richtig sind. ChatGPT kann zwar Kriterien für Über-mich-Seiten auflisten:

    Wie schreibt man eine gute Über-mich-Seite?

    Eine gute „Über mich“-Seite sollte folgende Elemente enthalten:

    • Eine Persönlichkeitsbeschreibung: Eine kurze Beschreibung, wer Sie sind und was Sie ausmacht.
    • Ihre Erfahrung und Kompetenzen: Beschreiben Sie Ihre beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten, die für Ihre Zielgruppe relevant sind.
    • Ihre Ziele und Visionen: Erklären Sie, was Sie erreichen möchten und wohin Sie gehen möchten.
    • Ihre Leidenschaften und Interessen: Teilen Sie etwas Persönliches über sich und was Sie außerhalb der Arbeit begeistert.
    • Kontaktmöglichkeiten: Stellen Sie sicher, dass es eine Möglichkeit gibt, Sie zu kontaktieren, wie z.B. eine E-Mail-Adresse oder ein Kontaktformular.
    • Visuelle Elemente: Fügen Sie Bilder oder Grafiken hinzu, um Ihre Persönlichkeit zu unterstützen und Ihre Seite ansprechender zu gestalten.

    Es ist wichtig, dass Ihre „Über mich“-Seite authentisch, leicht zu lesen und gut organisiert ist. Vermeiden Sie es, zu sehr auf technische Details oder langwierige Beschreibungen einzugehen. Stattdessen sollte Ihre Seite eine klare und unterhaltsame Geschichte erzählen, die Ihre Persönlichkeit und Fähigkeiten hervorhebt.

    Und die sind nicht falsch. Aber dieser Text hat null Persönlichkeit. Hätte ich mit meinem 2-Sätze-Minibriefing einen besseren Text schreiben können? Nicht wirklich. Aber zumindest hätte ich einen Einstieg á la „Vom Rhein an die Siegessäule: Wie ich knapp 600 Kilometer fahren musste, um meinen Freelancer-Traum zu leben“ formulieren können. Den ich persönlich immer noch nicht toll finde, aber zumindest hätte ich der Kundin sagen können, dass ich mehr Informationen brauche, um wirklich gute Arbeit zu machen.

    ChatGPT schreibt nicht, es rechnet

    Und im Gegensatz zu sehr vielen Menschen, die zum Beispiel auf Reddit voraussagen, dass es bald keine Text-Jobs mehr geben wird, glaube ich nicht, dass sich ChatGPTs völlige Unfähigkeit, die Systematik hinter Werbetexten zu verstehen, dadurch bessern wird, dass nochmal fünf Jahre ins Land gehen. Denn wie Golem hier erklärt, berechnet die KI die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Wort auf ein anderes folgt und ist deshalb in der Lage, Texte zu verfassen, die den vorangegangenen Text am besten ergänzen. „Am besten“ ist dabei gleichbedeutend mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, also dass, was am häufigsten genutzt wird. Um das kurz, aber polemisch zusammenzufassen: Durch ChatGPT wird der Anteil an generischen Schrott-Texten im Internet steigen – einfach weil es davon schon so viel gibt.

    Damit sind wir auch schon beim Hauptproblem: Viele Menschen, die eine Texterin buchen, können selbst nicht texten (diejenigen, die das sehr wohl können, aber Zeit sparen wollen, lasse ich bewusst außen vor). Damit meine ich nicht, dass sie nicht in der Lage sind, einen Text zu formulieren, sondern dass das, was sie schreiben, nicht gut strukturiert, zu allgemein oder zu unpersönlich ist. Oder dass sie nicht wissen, wie man Leser*innen in den Text zieht. Und diese Dinge kann ChatGPT ihnen nicht abnehmen, denn es kann sie nicht besser.

    Meine Prognose für KI-Texte 

    • ChatGPT ist ein Problem für Billig-Content: Texte, die von Plattformen wie Textbroker mit dem Zusatz „Fehler bei Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck nehme ich zugunsten des Preises in Kauf“ angeboten werden (in dieser Kategorie liegt der Preis für einen Text von 1.000 Wörtern bei 22,50 Euro), wird vermutlich demnächst die KI übernehmen. Denn Kund*innen, die solche Preise für angemessen halten, werden in Zukunft gar nichts mehr bezahlen wollen.
    • ChatGPT kann Texte nach Schema F: How-to-Artikel, Die x besten Tools für was auch immer, y Dinge, die auf Ihrer Über-mich-Seite nicht fehlen dürfen … Das Ergebnis zur dritten Kategorie siehst du ja oben. Menschen, die gerne möglichst schnell möglichst viele Blogartikel hätten, werden ChatGPT nutzen.
    • Texter*innnen, die für Textbroker, Upwork oder ähnliche Anbieter schreiben, können das Niveau – und das Honorar – ihrer Texte verbessern, indem sie ChatGPT als Grundlage nehmen und den Text überarbeiten.
    • KI-Texte werden kein gutes Ranking bei Google erzielen, da die Qualität nicht ausreichend ist, um Menschen länger auf der Seite zu halten. Soll heißen: Wenn auf deiner Website die gleichen Infos im gleichen Stil zu finden sind wie bei allen anderen Menschen in deiner Nische – warum sollte dann jemand länger auf deiner Seite bleiben?

    Fragen wir zum Abschluss nochmal ChatGPT

    Wird KI eines Tages kreativer sein als ein menschlicher Texter?

    Es ist unwahrscheinlich, dass KI jemals eine echte Kreativität erreichen wird, die mit der eines Menschen vergleichbar ist. Obwohl KI sehr gute Texte generieren kann, basiert dies auf vorher trainierten Datenmuster und es fehlt ihr die Fähigkeit, tiefgründige Emotionen, Gedanken und Überzeugungen zu erfassen und in ihre Arbeit einzubringen, wie es bei einem menschlichen Schriftsteller der Fall ist. KI kann jedoch als Werkzeug eingesetzt werden, um menschliche Schreibarbeit zu unterstützen und zu beschleunigen.

    Fazit: Nein, ChatGPT kann Texter*innen nicht ersetzen

    Wird es in fünf, zehn, noch mehr Jahren bessere KI-Tools geben? Ja, vermutlich. Alles andere wäre unwahrscheinlich. Aber allein aufgrund ihres Lernverhaltens kann eine KI immer nur reproduzieren, nicht erschaffen. 

    Ich werde mich also vorerst noch nicht bei der Agentur für Arbeit melden;-)

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