Schon seit einigen Jahren läuft unter Menschen in Schreibberufen die Diskussion um KI-generierte Texte. Immer mehr Tools behaupten, mit Hilfe von KI vollautomatisiert Marketingtexte für alle Kanäle zu generieren. Aber stimmt das auch?
Facebook hat mich durchschaut: Ja, Tools rund um die Contenterstellung interessieren mich. Und so sehe ich in Facebook zunehmend Anzeigen für CopyCockpit, die mir versprechen, eine künstliche Intelligenz würde „in Sekundenschnelle“ und „völlig automatisiert“ meine Texte „basierend auf dem AIDA-Prinzip“ erstellen. Da ich davon ausgehe, dass die Ads von CopCockpit so erstellt werden, nehmen wir mal eine davon als Beispiel, wie das dann aussieht:
„Mit der K.I. von CopyCockpit lässt du deine Texte erstellen und dabei kannst du dich zurücklehnen und die Arbeit von unserer künstlichen Intelligenz für dich erledigen lassen.
Du musst nie wieder Google nach Inspirationen für Texte fragen, du verfällst auch nicht mehr in den Stressmoment des Zeitdrucks.
Klingt das gut für dich?
Dann solltest du jetzt auf unserer Webseite vorbeischauen, um mehr zu erfahren.“
Das ist ja erstmal nicht so schlimm, oder? (Sorry, als Texterin erwartet man bei KI-generierten Texten immer das absolute Grauen – vermutlich ebenso wie eine Übersetzerin, wenn sie Google Translate hört.)
Texten nach dem AIDA-Prinzip?
Aber gehen wir das mal durch. Keine Angst, der Rant, warum sowas mit einem „richtig“ geschriebenen Text nicht vergleichbar ist, folgt weiter unten. Ich möchte dir in erster Linie zeigen, warum CopCockpit sein eigenes Versprechen nicht einlöst.
Also schauen wir uns zunächst mal das AIDA-Prinzip an. Das ist ein seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Marketing genutztes Modell, das erklären soll, wie Werbung wirkt (eins von vielen, aber machen wir es nicht zu kompliziert). Das heißt, im AIDA-Modell durchlaufen deine Kund*innen vier Stadien, die idealerweise in einem Verkauf enden:
Attention/Awareness oder Aufmerksamkeit
Interest oder Interesse
Desire oder … tja, im Deutschen übersetzt man das meist mit Drang was irgendwie nur so halb stimmt, aber sonst passt halt das schöne Akronym nicht mehr. Desire könnte man besser mit Wunsch oder Verlangen übersetzen.
Action oder Aktion, also die (Kauf-)Handlung
Erregt der Text, den ich oben zitiert habe, Aufmerksamkeit? Na ja. Der erste Satz hat immerhin 27 Wörter, spricht aber trotzdem kein konkretes Problem an: Produkt und Benefit werden formuliert, davor müsste aber eigentlich etwas kommen, das die Leser*innen abholt. Klar, darüber kann man noch eine Headline setzen, aber als Hook, der Menschen in den Text ziehen soll, ist es zu lang und zu vage. Abgesehen davon habe ich beim Lesen ständig meine Grundschullehrerin im Ohr: „Janine, du kannst nicht immer ‚und … und‘ schreiben.“
Erregt der Text Interesse? Das vermutlich schon. Die Idee, dass sich der komplette Content für diesen Monat von selbst manifestiert, während du deine Zeit besser nutzt, indem du z.B. auf dem Sofa sitzt oder meinetwegen beim Rewe in der Schlange vor der Kasse stehst, ist schon reizvoll.
Löst der Text einen Wunsch aus? Jein. Siehe letzter Absatz: Selbst erstellender Content ist definitiv eine Marktlücke. Viele Menschen würden sowas kaufen, wenn es das denn gäbe. Aber der Text selbst ist einfach nicht gut genug, um mich zu überzeugen, dass KI-generierte Texte qualitativ akzeptabel sind.
Damit sind wir beim letzten Punkt: Motiviert der Text zum Kauf? Nö. Für Sätze wie „du verfällst auch nicht mehr in den Stressmoment des Zeitdrucks“ würde ich zumindest kein Geld ausgeben.
Warum KI nicht schreiben kann
Gute Texte müssen ja nicht nur einer Formel folgen, sondern auch handwerklich gut geschrieben sein. Dazu gehören knackig-kurze Sätze genauso wie ein motivierender Call-to-action. Beides ist beim Text oben nicht der Fall. Als Call-to-action funktioniert „Schau jetzt auf unserer Website vorbei“ besser als „Dann solltest du jetzt auf unserer Webseite vorbeischauen, um mehr zu erfahren,“ einfach weil es direkter ist.
Abgesehen davon, dass der Text offensichtliche sprachliche Fehler enthält – die beiden „und“ im ersten Satz hatten wir schon, die Formulierung „Stressmoment des Zeitdrucks“ ergibt keinen Sinn – ist es einfach offensichtlich, dass er von einer Maschine generiert wurde. Eine KI kann „schreiben lernen“, das Ergebnis werden aber immer Varianten dessen sein, womit sie gefüttert wurde. Das heißt, die KI wird nie den Sinn eines Textes verstehen, sondern Wörter, die oft gemeinsam vorkommen, nach bestimmten Regeln gruppieren.
Natürlich kannst du jetzt einwenden, dass sich das mit ein bisschen Überarbeitung lösen lässt, man hat ja dann zumindest schon mal eine Basisversion. Aber: Das ist eben nicht das, was der Anbieter verspricht. Glaub mir: Einen miesen Text gut zu machen, nimmt nicht so viel weniger Zeit in Anspruch, als direkt einen guten Text selbst zu schreiben.
Aber was mich am meisten stört: Bei allen Unternehmen, für die ich schreibe, achte ich darauf, dass der Text so klingt, dass ihre Kund*innen das Unternehmen darin wiedererkennen. Besonders für Solopreneur*innen ist das sehr wichtig. Und das lässt sich einfach nicht abbilden, indem du in der Eingabemaske von CopyCockpit unter „Stil“ Schlagworte wie modern, innovativ und professionell eingibst. Du sprichst nicht modern, innovativ und professionell. Du sprichst wie du. Und das sollten deine Kund*innen auch in deinen Texten finden.
Mehr zu den Themen Texten mit KI und AIDA
- Eine Zusammenfassung zum AIDA-Prinzip und der Kritik daran findest du in der englischen Wikipedia
- Ein sprachlich beängstigend guter Artikel, der komplett von einer KI verfasst wurde, erschien im September 2020 beim britischen Guardian. Wenn alle KI-generierten Texte auf diesem Niveau wären, hätte ich Angst um meinen Job.
- Patrick Stolp hat hier mal getestet, wie CopyCockpit in der Praxis funktioniert.
Schamlose Eigenwerbung zum Schluss: Wenn du Texte brauchst, die nach dir klingen, klick hier.
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